Eine Pflegerin schiebt einen Rollstuhl mit einer Bewohnerin durch einen Gang

Warnung der Betriebskrankenkassen Der Pflegeversicherung droht die Pleite

Stand: 06.05.2024 12:59 Uhr

Die Pflegeversicherung muss immer mehr Menschen versorgen. Nun schlagen die Betriebskrankenkassen Alarm: Die Pflegekasse stecke im Defizit, sie stehe kurz vor der Pleite. Die Kassen fordern einen Umbau der Versorgung.

Die Betriebskrankenkassen in Deutschland fordern eine grundlegende Neuausrichtung der Pflege. Denn: Die Pflegekasse steuere in diesem Jahr auf ein Defizit von gut einer Milliarde Euro zu, warnen die Kassen. Und das Defizit werde wegen des demografischen Wandels in den kommenden Jahren noch deutlich ansteigen. Es brauche einen grundlegenden Umbau der Pflegeversorgung.

Die Vorständin des BKK Dachverbandes, Anne-Kathrin Klemm, sagte, für 2025 werde ein Minus von 4,4 Milliarden Euro prognostiziert. Und weiter: "Die Pflegebeiträge steigen ungebremst, ebenso die Eigenanteile Pflegebedürftiger in den Heimen. Die Pflegeversicherung muss dringend völlig neu ausgerichtet werden."

Die Flickschusterei der vergangenen Jahre müsse beendet werden. Klemm warnte: "Nichtstun würde uns alle finanziell, aber auch mit Blick auf die Versorgung, teuer zu stehen kommen".

Finanzprobleme zum Teil hausgemacht

Die Finanzprobleme seien zum Teil hausgemacht. "Würden die Zusagen aus dem Koalitionsvertrag eingehalten und versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln finanziert, müssten die Beiträge zur Pflegeversicherung nicht das zweite Jahr in Folge angehoben werden", sagte Klemm.

Doch es gehe bei den erhofften Reformen nicht nur ums Geld. "Wir brauchen vor allem eine Erneuerung der Versorgungsstrukturen." Auch müsse mehr Geld in die Prävention und die ambulante Versorgung Pflegebedürftiger fließen. Von rund fünf Millionen Betroffenen werden nach ihren Angaben nur 700.000 Personen in Heimen versorgt.

Vorschläge für den Umbau

Konkret forderte Klemm eine stärkere Gewichtung von Prävention und Rehabilitation, um Pflegebedürftigkeit zu verhindern oder zumindest hinauszögern. Auch müssten pflegende Angehörige, die schon heute die pflegerische Versorgung zu mehr als 80 Prozent schulterten, in Zukunft stärker unterstützt werden. "Pflegende An- und Zugehörige brauchen in bestimmten Lebenssituationen einen eigenen Anspruch auf einen Pflegelohn. Er muss eine deutliche Anerkennung der Doppelbelastung von Erwerbsarbeit und Pflege darstellen und gleichzeitig auch finanziell unterstützen, wenn sie ausschließlich Angehörige zuhause pflegen", heißt es. Sie schlägt die Einführung eines Pflegegeldes für Angehörige nach dem Vorbild Österreichs vor.

Weitere Themen im Reformdiskurs seien der zügige Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Sicherung von Pflegefachkräften.

Angeboten schwer zu finden

Klemm beklagte zudem einen Dschungel von Unterstützungsangeboten in der ambulanten Pflege. Das führe dazu, dass pflegende Angehörige von diesen Hilfen nichts wüssten. "Pflegebedürftige haben zwar Anspruch auf Leistungen, aber keine Angebote vor Ort." Leistungen wie Tagespflege, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege und Entlastungsbetrag müssten deshalb zu einem Entlastungsbudget zusammengefasst werden.

Die BKK-Vorständin wandte sich gegen den Eindruck, es gebe zu wenig Pflegekräfte in Deutschland. "Deutschland hat nach der Schweiz und den skandinavischen Ländern europaweit das meiste Pflegepersonal pro 1.000 Einwohner", sagte sie. "Mehr Personal ist die schlechteste Lösung - auf die Verteilung kommt es an." Klemm forderte deshalb, ausgebildeten Pflegekräften mehr Kompetenzen bei der medizinischen Versorgung zu geben und Pflegekräfte verstärkt in Dörfern und Stadtteilen oder in kommunalen pflegerischen Versorgungszentren einzusetzen.

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland wird nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes allein durch die zunehmende Alterung bis 2055 um 37 Prozent zunehmen. Laut den Ergebnissen der Pflegevorausberechnung wird ihre Zahl von rund 5 Millionen (Ende 2021) auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Bereits 2035 könnte die Zahl von 5,6 Millionen Personen (plus 14 Prozent) erreicht werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 06. Mai 2024 um 11:45 Uhr.